Lunar Caustic

Sebastiaan Schlicher


Eröffnung: 16 März 2023, 19:00

Dauer: 17 März — 2 April 2023
Öffnungszeiten: Freitag – Sonntag, 13:00 – 18:00

Sebastiaan Schlichers Zeichnungen ziehen einen an — hinein in ein Farbdickicht aus Ölpastellkreide, das sich unaufhaltsam ausbreitet. Für die aktuelle Ausstellung bei SMAC hat der gebürtige Niederländer verschlungene Farbdschungel zu Papier gebracht: Da leuchtet einem aus dem Strichgewirr ein paar Augen entgegen, hier blitzen Zähne hervor. Auf einer Arbeit lacht eine stilisierte Blüte, die an die singenden Wildblumen aus Disneys Zeichentrickfilm Alice im Wunderland von 1951 erinnert. In Großbuchstaben steht neben ihren Blättern geschrieben: “When you’re caught up in something that has no grace / it makes sense to take verbal revenge”.

Durchdringen lässt sich Schlichers Spiel mit Worten oftmals genauso wenig wie sein dichter Farbirrgarten. Die Sätze – mal in Spiegelschrift, mal durchgestrichen – liefern keine Interpretationshilfe. Schlicher bedient sich an literarischen Zitaten und eigenen Gedanken, erstellt Textcollagen, die auf falsche Fährten führen. Seine Texte sind nicht nur Teil eines Werks, sie sind das Werk. Sie tragen dazu bei, sich noch weiter in seinem visuellen Kosmos zu verlieren, bis die Umwelt verblasst.

Als Lotsen taugen auch Schlichers Figuren, von denen es auf dem Papier nur so wimmelt, nicht. Sie wirken so verloren wie die Betrachter:innen – ihre Münder weit aufgerissen, die Pupillen geweitet. Manchmal kommt es vor, dass ihr Ausdruck ins Groteske, ja Unheimliche, kippt. Über sein Bildpersonal erhebt sich Schlicher jedoch nie. Das Zugespitzte und Übertriebene stellt für ihn schlicht einen weiteren Seinszustand dar, den es abzubilden gilt. Die visuelle Überforderung überträgt der Künstler nun erstmals auch in Klang: Seine Experimente mit Geräuschmaschinen ergänzen die Zeichnungen. Das Gewirr aus bunten Kabeln zitiert Schlichers Farbdickicht unmittelbar, auf der Tonspur nimmt das Chaos neue Qualitäten an.

„Verliert man sich“, schreibt die Essayisten Rebecca Solnit in ihrem Field Guide to Getting Lost von 2005, „ist die Welt größer geworden als das Wissen, das man von ihr hat“. Auch Schlichers Kunst erweitert unser Sehen und Sein. Sie ist eine Aufforderung, abzuschweifen. Sich auf das „Andere“ einzulassen und darin aufzugehen. Seine Zeichnungen sind Ausdruck einer gerichteten Ziellosigkeit.

Text: Laura Storfner