INFRAFORM ULTRASELBST

CARSTEN SIEVERS

Eröffnung: 20. März 2025, 19:00 Uhr

Dauer: 21. März – 06. April 2025

Öffnungszeiten: Freitag – Sonntag, 13:00 – 18:00


Carsten Sievers' Kunst ist eine Kunst der Berührung, der Verortung. Eine Kunst des Standpunkts und der Perspektive.

Sievers, 1969 in Frankfurt am Main geboren, studierte Architektur an der Berliner Hochschule der Künste. Tief geprägt vom Diktum des Architekten und Mitglieds der britischen Gruppe Archigram, Peter Cook: "If you want to make architecture, you have to do anything else but designing a house", wandte Sievers sich schnell der Bildenden Kunst zu. In seinem ausufernden Werkkörper lotet Sievers die Grenze zwischen Minimalismus und komplexer Ästhetik aus. Seine Werke basieren auf den Praktiken des Faltens, Schichtens und Schneidens und zeichnen sich durch opulente Serialität aus, die minimalistische Traditionen fortschreibt und gleichzeitig im Alltäglichen verankert ist.

Carsten Sievers baut keine Häuser, er eröffnet Denkräume. Seine Objekte, geschaffen aus objets trouvés, teils schon gebrauchten Aludibond- und Plexiglasplatten, Saugnäpfen und Eisendraht, schaffen Irritation und leiten so die Inspiration, Gedanken und Fantasie der Betrachtenden auf neue (Ab)wege. So eignet sich Sievers' Objektreihe der Synanthropen – Kulturfolger – dazu, glatte Oberflächen wie Touchscreens im öffentlichen Raum zu überdecken und unbrauchbar zu machen. Aus der daraus entstehenden Konfrontation des Dysfunktionalen entsteht eine subtile Verbindung von künstlerischer Praxis und gesellschaftlichem Kommentar.

Sievers' Werke entstehen durch aufwendige Prozesse des Übereinanderschichtens und Faltens, wodurch dichte skulpturale Formen mit glänzenden Oberflächen entstehen. Trotz ihrer scheinbaren Perfektion weisen seine Arbeiten bei genauerer Betrachtung Spuren des Gebrauchs auf – auch die Dinge haben Leben, Vergangenheit und Zukunft. Dies manifestiert sich umso deutlicher in den teils gefundenen und umgewidmeten Objekten wie afrikanischen Trade Beads jahrhundertealten europäisch-kolonialen Ursprungs oder den kalt-weichen ausrangierten Stromabnehmern von Straßenbahnen.

Während Gilles Deleuze in seinem 1988 erschienenen Werk Die Falte dieser theoretisch eine operative Funktion, mit der sich philosophisch arbeiten lässt zuschreibt, verwandelt Sievers die Falte ganz praktisch in ein gestalterisches Moment als Grundlage seiner künstlerischen Arbeit. Sowohl er als auch Deleuze beschreiben somit ein Prinzip, welches die Beziehungen zwischen Materie und Geist, Innen und Außen beschreibt – die Falte entwickelt sich ins Unendliche. Genau wie Carsten Sievers' Kunst.

In ihr ist es stets ist es der Standpunkt, der verfängt. Die Positionierung des Selbst, des Ichs – des Autors und des Rezipienten. In den Falten können wir entdecken. In den Falten können wir verstecken. Ziehen wir sie glatt, wirkt Sievers' Werk minimalistisch und kompakt. Doch kriechen wir hinein in ihre Tiefen, wimmelt es nur so von Referenzen, Emotionen, Wissen, Konzept und Selbstausdruck. Und aus jeder Ritze kriecht und krümelt die absolute Freiheit des Unangepassten.

Sievers' Werke Werke finden sich in renommierten Sammlungen unter anderem, Sarah-Anne and Wynn Kramarsky Collection New York, Sprengelmuseum Hannover, Kunstsammlungen Chemnitz oder den Harvard Art Museums.

Text: Hilka Dirks