Around The House

Eröffnung 04. Juni 2015, 19 Uhr
Ausstellungsdauer: 5. Juni bis 14. Juni 2015
Öffnungszeiten: 5. Juni bis 7. Juni 2015, 12 bis 19 Uhr
8. Juni bis 14. Juni 2015, nur nach Vereinbarung
Jens Hausmann / Alexej Meschtschanow

 

Wir sind erschöpft von der Akkordarbeit an der Moderne. Und angesichts dessen ist es geradezu eine Frage der Selbstbehauptung, diese Erschöpfung ins Positive umzudeuten. Aber wie könnte Müdigkeit als Happy End aussehen?
 

 
 
 


Alexej Meschtschanow
fügt in seinen Arbeiten industriell anmutende Stahlrohr-Elemente mit Fundstücken zu einer faszinierenden Konstruktion zusammen, die ein beträchtliches metaphorisches Potential entwickelt. Seine Werke oszillieren zwischen surrealistischen, ins Räumliche übertragenen Collagen und präzisen skulpturalen Interventionen. Der Künstler erscheint dabei aus berechnender Distanz als Monteur, nicht als leidenschaftlicher Bildhauer. In seinem Werk Das Rätsel der Sphinx sind massive Metallrohre so über ein Bild montiert, dass das Glas auf seiner Oberfläche zerspringt. Wir sehen ein zerbrechliches Porträt – das einer nackten, schwangeren Frau, die kommendes Leben in sich trägt. Ihr Anblick wird durch das Auge einer Kamera fixiert, vielleicht anthropologisch vermessen; sie selbst erscheint ohnmächtig vor dem Objektiv eines sachlichen, gefühllosen Apparats. Meschtschanows Installation bleibt durchaus vieldeutig: Die metallische Wucht des aufmontierten Elements macht die Gewalt der Perspektive sichtbar. 

Vielleicht aber befreit das Ding auch die Frau vom Bild, das es aufsprengt? Eine eindeutige, auf Fortschritt ausgerichtete Semantik der Moderne wird hier wie auch in der Installation „Dämonen benutzen geschlossene Türen IV“ unterlaufen. Der Künstler inszeniert das Eigenleben lebloser Dinge. Das Unheimliche wird objektiv, ergreift Besitz vom Raum. Doch ist die Arbeit ästhetisch zu verblüffend, in der Kombination disparater Elemente zu absurd, um einfach der Nachtseite der Moderne, der Romantik zugeschlagen zu werden. Kühl und kalkuliert präsentiert Meschtschanow das verborgene Potential von Dingen, die formale Kraft von Industrieprodukten jenseits ihrer zweckmäßigen Verwendung. Der Künstler, eher Monteur als Bildhauer, entwickelt die Möglichkeiten der Dinge, mit denen wir uns umgeben in einer produktiven Haltung zwischen Sarkasmus und Heiterkeit.

Die traditionelle „Ordnung der Repräsentation war eine der doppelten Hierarchie: Befehlsgewalt der Form über die Materie, Unterscheidung zwischen wilder sinnlicher und verfeinerter sinnlicher Natur“. Bei Meschtschanow ist diese Hierarchie aufgelöst, ohne das Spiel gewaltiger Kräfte zu verleugnen. „Damit der Widerstand der Kunst nicht in seinem Gegenteil verschwindet, muss er die unaufgelöste Spannung zwischen zwei Widerständen bleiben“. Meschtschanows Installation wahrt gleichermaßen Distanz zu politischer Agitation wie zu einem leeren Formalismus. Seine Arbeit exponiert kafkaesk „die intime und paradoxale Verbindung zwischen einer Idee der Kunst und einer Idee der Politik“.

Jens Hausmann
malt Architektur und bewegt sich damit scheinbar innerhalb der Koordinaten einer beherrschbaren Räumlichkeit. Die von ihm entworfenen Villen, trotz ihrer Großzügigkeit eher Wohnburgen als Paläste, repräsentieren architektonisch die Moderne. Der  Maler zeigt sie präzise, aber aus dem Blickwinkel einer extremen Perspektivität. Fluchtlinien bestimmen die Bildwirkung ebenso wie die dargestellten Raumkörper, die vom exakt gezogenen Pinselstrich fast filetiert werden. In Hausmanns Gemälden erscheinen die klaren Konturen des International  Style, der ersten weltumspannenden Architektur, in einem seltsamen, magisch schimmernden Licht. Gelegentlich stößt der Blick auf eine faszinierende Vegetation, die so apart wie isoliert auftritt. Als hätte Kultur ihr Band zur Natur durchschnitten, stehen die Gehäuse der Zivilisation wie eingefroren in apokalyptisch fahlem Schein. Das Licht, das sie umgibt, ist kein natürliches, sondern der Reflex eines medialen Leuchtens – ein schwefelgelber Himmel über dem Haus, bleich strahlende Leinwände, neonhelle Fensterflächen.

Bildraum markiert bei Hausmann einen leblos wirkenden sozialen Raum, der sich kalt auf das Leben der Dinge gelegt hat. Indem die rationale Stabilität der Verhältnisse, die diese Bilder porträtieren, auf ihnen rätselhaft verdichtet wird, zeigen sie Ordnung und Struktur als eine gespenstische Leerstelle. Als warte der Bildraum darauf, dass jemand in ihn eintreten werde, sieht man auf dem ganzen weiten Plan keinen einzigen Menschen. Visuell wird unmissverständlich klar, dass, was hier fehlt, von anderer Ordnung sein müsste, um den Bann über dem Bild zu lösen. Wer nahe herantritt, macht surreale Erfahrungen: Im Detail der großformatigen Ansicht eines Hochhauses, das der Bildtitel als Gedankenfestung anspricht, zeigen einzelne Fensterflächen überraschende Varianten, die auf ein beschädigtes Leben hinter ihnen deuten.

Marc Wrasse - Textfragment – am Puls des Raumes, zur Ausstellung `mixed signals / part II ´im Kunstverein Ulm 2013.