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Interview mit Conny Maier

I DIDN’T MEAN TO BURN THE WOODS // 25 Oct – 10 Nov 2019

Conny Maier ist keine Frau zwischen zwei Welten. Zwar lebt und arbeitet die gebürtige Berlinerin mittlerweile im Wechsel zwischen der deutschen Hauptstadt und Peniche – einer portugiesischen Kleinstadt, die mit ihrer Lage am Atlantik vor allem unter Surfern beliebt ist – aber hin und her gerissen wirkt die Malerin ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Conny Maier scheint sich immer genau auf den Ort und die Gegebenheiten einlassen zu können, die sie gerade umgeben. Diese höchst bewundernswerte Eigenschaft findet sich auch in ihren Bildern wieder, die etwas Direktes, Unmittelbares haben: die verzerrten Figuren in ihren Portraits lenken sofort den Blick auf sich und wirken wie skurrile Momentaufnahmen.

Connys Vorliebe für die südafrikanische Künstlerin Marlene Dumas, die sich ebenfalls sehr für Menschen interessiert, ist klar zu erkennen. Die Herangehensweise von Dumas und Maier unterscheidet sich jedoch vor allem in einem Punkt: von Conny Maiers Bildern geht eine gewisse Anonymität aus, die beabsichtigten Raum für Interpretationen schafft. Was die Figuren vereint, sind ihre weit aufgerissenen Augen und geöffneten Münder – wobei schwer zu sagen ist, ob sie gerade sprechen, schreien oder erstaunt sind. In teilweise recht amüsanten Posen weisen diese Charaktere oft auf kritische menschliche Verhaltensweisen hin, ohne dabei zu bevormunden, und scheinen ein Eigenleben zu führen.

Zu sehen waren ihre Werke in jüngster Vergangenheit unter anderem in der Kölner Dependance der Galerie Ruttkowski;68 und in der von Johann König kuratierten Gruppenschau im Funkhaus Berlin. Bereits in ihrer letzten Ausstellung Im Trüben widmete sich Conny Maier den Widersprüchen des Menschen im Umgang mit der Natur und auch in I Didn’t Mean to Burn the Woods geht es um eine dem Menschen eigene Verhaltensweise – das Rauchen, über dessen Faszination sie in unserem Gespräch mehr verriet.

 

Interview: Hanna Komornitzyk

 
 

 
 

SMAC: Die Figuren in deinen Bildern lösen sofort Assoziationen aus. Wie würdest du sie selbst beschreiben?

Conny Maier: Fleischig. Die Farbe Rosa ist sehr präsent, denn alle haben diese großen Münder und runden, verdrehten Körper. Oft haben meine Figuren reale Vorbilder aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis, aber die kenne nur ich. Man weiß nicht so recht, ob man sie lustig, aggressiv oder hilflos finden soll. Sie sind in gewisser Weise entpersonifiziert – man kann sie nicht genau einordnen und sich gleichzeitig in ihnen wiederfinden. Ich mag es, Deutungen offen und zuzulassen. Jeder soll einen eigenen Zugang zu meinen Bildern finden und sehen, wohin ihn seine Gedanken bringen. Mir ist wichtig, dass eine gewisse Leichtigkeit in meinen Arbeiten nicht verloren geht.

 

 
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Ich sehen meine Arbeit als Impuls, der sich an die Oberfläche drängt.
 

Du sagst, dass du malst, weil du es musst, und dass “die Malerei dich gefunden hat.” Was ist daran das Besondere für dich?

CM: Ich sehen meine Arbeit als Impuls, der sich an die Oberfläche drängt. Da ist dieser klare Wunsch, etwas zu erschaffen. Ich habe eine ziemlich konkrete Idee im Kopf und am Ende entsteht meistens etwas ganz anderes. Außerdem zwingt mich besonders die Arbeit mit Ölfarben zur Geduld. Eigentlich bin ich ein recht ungeduldiger Mensch, aber die Farben trocknen langsam. Daraus ergibt sich ein gewisses Eigenleben, das mich mehr und anders herausfordert als das Zeichnen. Und mir gefällt die Vorstellung, dass sich der Arbeitsprozess des Males mit der Zeit kaum verändert hat. Am Ende kommt es nur darauf an, dass jemand mit einem Pinsel vor einer Leinwand steht und etwas Neues zustande bringt.

Fängst du einfach an zu malen und lässt dich von deiner Intuition leiten?

CM: Ich habe konkrete Ideen, wenn ich zu arbeiten beginne – ich mag es, Dinge zu beobachten, zu hinterfragen und daraus ergeben sich meistens meine Themen. Oft stehen dabei menschliche Verhaltensweisen im Vordergrund – das darf man kritisch sehen, unser Verhalten kann negative Folgen für unsere Mitwelt haben. Oft ist Fehlverhalten aber recht unbeabsichtigt. Deshalb auch der Titel “I Didn’t Mean to Burn the Woods” für eine Bildreihe, die meine vorherige Serie Im Trüben niederbrennt. Menschen beim Rauchen zu zeigen ist, überspitzt gesagt, der fleischgewordene Brandstifter. Schauplatz von Im Trüben war ebenfalls der Wald, der Titel der neuen Ausstellung ist also auch als Anspielung gemeint. Außerdem geht es um den Gegensatz zwischen menschlichem Hedonismus und der Natur – wer ist die Gefahr für wen?

Ist Rauchen ein persönliches Thema für dich oder einfach etwas, das dich fasziniert?

CM: Es ist in gewisser Weise ein Überbleibsel des “Marlboro Man” oder auch von Darstellern wie Jean-Paul Belmondo: Rauchen sieht wahnsinnig gut aus. Meine Arbeiten sind eine Reminiszenz an die Ästhetik des Rauchens. Es ist ein Medium, das liberal und sozial sein kann: Menschen kommen für das Rauchen zusammen und sind gleichgestellt – der soziale Status spielt keine Rolle, wenn man sich gemeinsam eine Zigarette anzündet. Außerdem ist ganz klar, dass während des Rauchens Nachrichten ausgetauscht, Geheimnisse geteilt und Entscheidungen gefällt wurden. Rauchen ist eine kleine, aber gemeinsame Revolte gegen Bevormundung, das sieht man gerade hier in Berlin. Definitiv ein ambivalentes Thema.

 
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Meine Arbeiten sind eine Reminiszenz an die Ästhetik des Rauchens.
 

Was für eine Rolle spielt das Format bei deinen Bildern? Hier im Studio hast du ganz kleine, aber auch ziemlich große Leinwände.

CM: Manche Motive brauchen eine große Leinwand. Wenn ich anfange, zu skizzieren, weiß ich eigentlich schon, was groß und was klein sein muss. Ich kann dabei auch schlecht mischen: wenn ich gerade an einem großen Format arbeite, kann ich zwischendurch nicht gut zu einem kleinen wechseln. Und natürlich spielt der Anlass eine Rolle: wenn ich neue Dinge ausprobieren will, arbeite ich in der Regel eher kleiner.

Du lebst mittlerweile auch in Peniche, an der portugiesischen Atlantikküste. Kannst du überall arbeiten oder brauchst du dein eigenes Studio?.

CM: Ich kann überall arbeiten, aber ich brauche auch meinen festen Platz. Im Februar war ich in Los Angeles, wo ich bei Christian Rosa eine Residency in Beverly Hills machen konnte. Er hat mir sein Studio überlassen und ich habe mit den Materialien und Gegebenheiten vor Ort gearbeitet. Es macht schon viel mit einem, aus dem eigenen Gewohnheiten herauszukommen. Natürlich verändert das nicht komplett die eigene Arbeitsweise – aber ich habe aus der Zeit dort einige Dinge mitgenommen, die ich hier auf meine Arbeit anwende. Das ist sehr bereichernd.

 

 
 
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Erlebst du Ähnliches auch zwischen Berlin und Portugal?

CM: Die Bilder, die ich in Berlin male, sind anders als die Bilder aus Portugal. Zum einen gilt das für die Farben – ich male in Peniche viel leuchtender – zum anderen geht es um die Verfügbarkeit von bestimmten Materialien. Peniche ist eher ein Dorf, in dem man nicht immer alles bekommt. Es gibt einen Künstlerbedarf im 20 Kilometer entfernten Nachbarort Caldas da Rainha, in dem ich meine Keilrahmen auf Maß anfertigen lassen muss, da nicht viele Größen im Sortiment vorhanden sind. Das dauert dann mindestens zwölf Tage plus Lieferung – es ist umständlich, aber auch okay, nicht immer alles sofort haben zu können. Wenn ich die Farben, die ich möchte, nicht bekommen kann, male ich mit anderen. Das wirkt sich auf mein Konsumverhalten und meinen Arbeitsprozess aus – es gibt mir eine gewisse Gelassenheit.

 
 
 
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Es macht schon viel mit einem, aus dem eigenen Gewohnheiten herauszukommen.
 

Ergeben sich so Themen zu Konsumverhalten wie das Rauchen in “I Didn’t Mean to Burn the Woods”?

CM: Die Ausstellung ist im Ganzen als Beobachtung zu sehen, die Ideen aus “Im Trüben” fortführend. Rauchen treibt das Thema Mensch versus Natur auf die Spitze, was mit einem Augenzwinkern betrachtet werden darf. Um es ganz platt zu formulieren – sitzen die Menschen in meinen Bildern im Wald und um sie herum brennt die Erde oder genießen sie gerade den Augenblick und nehmen das Leben leicht? Es ist dem Menschen eigen, Dinge kaputt zu machen, ohne es zu beabsichtigen. Wir sind sehr ambivalente Tiere, was eine gewisse Tragik hat.

 
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Es ist dem Menschen eigen, Dinge kaputt zu machen, ohne es zu beabsichtigen.
 
 
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Interview: Hanna Komornitzyk
Photos:  Luke Marshall Johnson