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Interview mit Felix Rombach

JAYWALKING // 22 Nov - 8 Dec 2019

Bedeutungen hinterfragen, Kontexte umdefinieren und Grenzen ausloten – das ist die Praxis von Künstler Felix Rombach im wortwörtlichen Sinne. Die Fundstücke und Alltagsgegenstände in seinen Serien Kinetics und Mini Kinetics entwickeln losgelöst von ihrem ursprünglichen Dasein ein unvorhergesehenes Eigenleben.

Als autarke Organismen führen die mehrdimensionalen Installationen sich wiederholende Bewegungsabläufe vor, die man ihnen auf den ersten Blick nicht zugetraut hätte. In “Junger Mann zum Mitreisen gesucht” (2010) wird aus Fahrrad, Motor und Schlagzeug-Element ein Trommelkreislauf. Eine in China produzierte und in Mexiko aufgestöberte Kuckucksuhr fungiert gleichzeitig als Hintergrundkulisse und Antrieb für das katholische Kammerspiel “Patria o muerte” (2016) und aus dem Schaukasten von “Hello Nico” (2019) grüßen japanische Winkekatzen im Schokonikolaus-Outfit. Oft sind es Collagen und Fragmente von Objekten, die sich hier zu ständig in Bewegung bleibenden Neuschöpfungen formieren, sodass gesellschaftlich zugeordnete Bedeutungen und Symbolik verschwimmen oder gewollt aufeinander prallen. Es ist dieser undefinierte Raum, aus dem die Szenerien ihre Kraft und Freiheit schöpfen.

Felix Rombach fand schon früh über das Spiel mit verschiedenen Materialien seinen Zugang zur Kunst: seine Ausbildung in Metallbau war für ihn lediglich die logische Schlussfolgerung, das Handwerk als eine Ausdrucksform zu perfektionieren. Anschließend studierte er freie Kunst und Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe; in Berlin lernte er als Meisterschüler bei Aktionskünstler John Bock. Über den Hang zur Performance, Grenzüberschreitungen und die Ausstellung Jaywalking sprach er mit uns in seinem Studio in Pankow.

 

Interview: Hanna Komornitzyk

 
 

 
 

SMAC: Dein Studio hier Pankow ist wie dafür gemacht, Materialien zu sammeln und sich auszuprobieren. Oder sieht es bei dir zu Hause ähnlich aus?

Felix Rombach: Viele der kleineren Installationen, meine Mini Kinetics, entstehen tatsächlich zu Hause am Schreibtisch. Auch in meiner Wohnung in Neukölln habe ich Kisten mit Fundstücken gelagert und es kann durchaus vorkommen, dass sich Kunst und Papierkram ins Gehege kommen. Obwohl ich in diesem “Labor” natürlich keine großen Maschinen verwenden kann, ist der Arbeitsprozess ganz ähnlich – nur eben in kleinerer Dimension. Ich behandle meine Mini Kinetics wie Zeichnungen: ein Material wie Papier ist einfacher und schneller zu handhaben als Stahl oder Holz. Solche Größenordnungen brauche ich oft aber gar nicht, um mich auszudrücken – gerade weil die kleineren Arbeiten in einem kleineren, abgeschlossenen Raum funktionieren, haben sie ihren Reiz.

 

 
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Ich behandle meine Mini Kinetics wie Zeichnungen: ein Material wie Papier ist einfacher und schneller zu handhaben als Stahl oder Holz.
 

Wie lange dauert es, eine deiner Mini Kinetics fertigzustellen?

FR: Das hängt von Thema und Komplexität der Bewegung oder Szenerie ab: manche entstehen in ein oder zwei Tagen, andere brauchen Wochen von Zuwendung, bis sie für mich fertiggestellt sind. Der “Wimpernschlag” für die neue Ausstellung hat beispielsweise viel Zeit in Anspruch genommen – es hat Tage gedauert und mich einige Nerven gekostet, bis er so funktioniert hat, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Vor dem Kunststudium hast du Metallbau gelernt. Wie hängen beide Bereiche für dich zusammen?

FR: Die Ausbildung war nicht die ausschlaggebende Motivation – ich habe schon davor künstlerisch mit plastischen Materialien gearbeitet. Im Kindesalter war es Holz, als Teenager habe ich mein Repertoir um Metall erweitert und zunächst begonnen, mit einem Schutzgasschweißgerät naturalistische Formen und Körper aus Schrottteilen nachzubilden. Der Gedanke, die Ausbildung zu machen und das Handwerk im Metall zu professionalisieren, kam erst nach der Schule. Später, nach meinem Meister in Metallbau, habe ich aber gemerkt, dass der künstlerische Ausdruck durch handwerkliche Dogmen nicht unbedingt begünstigt wird – in der Ausbildung wird anhand von Ansätzen, Normen und ausgetretene Wegen gelernt. Im Kunststudium musste ich mich ganz bewusst von diesen gelernten Dogmen distanzieren und neu lernen, eigene Lösungen zu finden – Lösungen für Probleme, deren Dimensionen ich bis dato gar nicht kannte. Natürlich spielt das Handwerk heute immer noch eine Rolle, aber es ist nun mehr ein Mittel zum Zweck, auf das ich jederzeit zurückgreifen kann.

Wie hast du es geschafft, dich im Kunststudium neu zu orientieren?

FR: Ich habe andere Materialien verwendet und nicht mehr rein in Metall gearbeitet: stattdessen begann ich, Fundstücke einzusetzen und ziemlich bald kamen “Bewegungen” hinzu. Es war wichtig für mich, die Arbeit weniger dogmatisch oder in einem bestimmten Materialspektrum zu sehen – durch das Studium der Bildhauerei sind damals neue Dimensionen hinzugekommen.

 
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Als Bildhauer bin ich natürlich davon überzeugt, dass meine Arbeit nur in der natürlichen Betrachtung ihre volle Kraft entfalten kann ...
 

Auf deiner Website kann man viele Videos deiner Arbeiten sehen, was natürlich Sinn macht, weil Bewegungen so eine große Rolle spielen. In einigen spielst du selbst mit und generell scheinen einige über reine Projektdokumentationen hinauszugehen. Sie wirken im positiven Sinne inszeniert – hast du Interesse an Videokunst?

FR: Man muss da natürlich unterscheiden: Im Video zu “Junger Mann zum Mitreisen gesucht” bin ich zu sehen, weil ich den Motor starte. Hier lässt ein über ein Trainingsfahrrad umgelenkter Rasenmähermotor zwei Klöppel auf eine Trommel schlagen und erzeugt so einen Klang, der an eine mittelalterliche Galeere erinnert. In der etwas älteren Performance “Sunset Burger” (2012) trete ich als Standbetreiber Pete Pongo in einem kommerziellen Spot für den “ersten Trinkburger der Welt” auf. Hier geht es um prozessoptimierte Nahrungsaufnahme, was natürlich eine ziemlich polemische Lüge ist. Generell interessiert mich die Videokunst schon, und ich habe bereits in den Arbeiten anderer Künstler als Darsteller mitgewirkt – momentan spielt dieser Aspekt für meinen eigenen Ausdruck aber eine untergeordnete Rolle. Als Bildhauer bin ich natürlich davon überzeugt, dass meine Arbeit nur in der natürlichen Betrachtung ihre volle Kraft entfalten kann und Videos sind der Versuch, sie über ein anderes Medium zugänglich zu machen. Aber es stimmt, dass Kamerafahrten, bewusst gewählte Takes und Objektansichten eine bestimmte Dramaturgie und Richtung vorgeben, um so den Rezipienten an einen Ausgangspunkt heranzuführen, den ich gemeint haben könnte – Videos sollen aber keine festgelegte Interpretationshilfe sein. Ein wenig ist diese Dramaturgie der Projektdokumentationen auch meinem Kameramann Benjamin Breitkopf geschuldet, mit dem ich bereits lange zusammenarbeite. Im Bereich Video ergibt sich ja im Gegensatz zur Fotodokumentation ein ganz neues Spektrum an Möglichkeiten, eine Arbeit zu inszenieren – ich sehe mich hier aber weniger als Regisseur und mehr als Zirkusdirektor.

 

 
 
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Welche Beziehung hast du zu deinen Arbeiten?

FR: Die Beziehung zu meinen Arbeiten gestaltet sich so unterschiedlich wie die Themen, mit denen ich mich befasse. Es kann um Missstände in der Gesellschaft gehen, es gibt Portraits von Einzelpersonen oder Gruppen – gerade meine Mini Kinetics sind teilweise sehr privat, aber es gibt auch ganz allgemein gefasste, clownesque inszenierte Themen. Dementsprechend kann ich sehr spielerisch an Arbeiten herangehen oder aber sie reiben mich derart auf, dass ich sie für einige Zeit wegstellen muss. Bei den Mini Kinetics gibt es außerdem das, was ich “Frankenstein-Moment” nenne: funktionieren sie so, wie ich es mir vorgestellt habe – lebt mein Monster? So richtig leben können sie aber erst in dem Moment, in dem sie ausgestellt sind und von anderen betrachtet werden. Für mich ist meine Kunst erst dann fertig, wenn es eine Interaktion mit dem Publikum gibt. Einige der kleineren Arbeiten habe ich aber auch zu Hause ausgestellt: wenn ich von einer Reise zurückkomme, muss ich erst einmal nach ihnen sehen und überprüfen, ob sie noch laufen – wie in einem kleinen Zoo, der sein Eigenleben führt und auf den ich aufpassen muss. Deshalb auch die Referenz zum Zirkusdirektor.

Besonders in den Mini Kinetics arbeitest du mit Fundstücken und Alltagsgegenständen, was sie sehr vertraut wirken lässt. Was ist die Intention dahinter?

FR: Meine Arbeiten setzen sich aus Gegenständen zusammen, die ihrer ursprünglichen Funktion enthoben und zu etwas Neuem transformiert wurden. Somit sind sie ein Pendant zu dem, was ich auch thematisch tue: ich löse Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten aus einem bestimmten Kontext heraus und gebe sie transformiert wieder. Assoziationen zum vorherigen Leben bleiben gewollt bestehen, werden aber nicht genau definiert. Bei einem Aufenthalt in Mexiko habe ich eine Kuckucksuhr aus Kunststoff gefunden, die in China produziert wurde. Da ich ursprünglich aus dem Schwarzwald komme, musste ich die Uhr einfach verwenden, habe ihre persönliche Bedeutung aber mit religiösen und gesellschaftskritischen Themen verwoben, die für den lateinamerikanischen Raum relevant sind. Meine Arbeiten sind aber nicht so zu lesen wie die Gemälde alter Meister – es ist nicht so, dass bestimmte Gegenstände die immer gleiche symbolische Bedeutung tragen.

 
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Für mich ist meine Kunst erst dann fertig, wenn es eine Interaktion mit dem Publikum gibt.
 

Welche Rolle spielen Reisen für dich und wie prägen sie deine Arbeit?

FR: Das Reisen in andere Länder bereichert mich, weil es meine Sicht auf die Welt und das Zusammenleben von Menschen vervielfältigt – im besten Fall kann ich vor Ort arbeiten und so eine Zeit lang Teil davon werden. Mich interessiert vor allem, wie Menschen an verschiedenen Orten ganz unterschiedlich mit ähnlichen zwischenmenschlichen Problematiken umgehen – welche Prioritäten im Leben gesetzt werden und was für eine Rolle sie spielen, wenn etwas Unvorhergesehenes geschieht. Improvisationsgabe und so genannte Provisorien interessieren mich sehr, was sowohl für materielle als auch psychosoziale Situationen gilt. Der Begriff Fundstück beschränkt sich für mich nicht nur auf physische Aspekte, sondern beinhaltet auch zwischenmenschliche Begebenheiten und abstrakte Lösungsansätze. Man könnte Fundstücke auch als Werkzeuge oder Prozessbegleiter für den Umgang mit dem Leben bezeichnen. Reisen ermöglichen es mir, mein Repertoire stetig zu erweitern und zu überdenken. Weil ich neugierig bin und viel frage, werden mir oft Geschichten erzählt. Das nehme ich als sehr wertvoll wahr.

 
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Eigentlich ist die Stadt genauso wie das Internet: alles Gute und Böse, das sich die Menschheit hat einfallen lassen, ist hier an einem Ort vereint.
 

Was hat dich nach Berlin gebracht und welche Bedeutung hat die Stadt für dich?

FR: Nach meinem Studium an der Kunstakademie in Karlsruhe musste ich unbedingt in eine große Stadt ziehen. Die Zeit dort war sehr wichtig für mich, aber danach brauchte ich einfach noch mehr und Berlin ist nun einmal die einzig wirkliche Metropole in Deutschland. Eigentlich ist die Stadt genauso wie das Internet: alles Gute und Böse, das sich die Menschheit hat einfallen lassen, ist hier an einem Ort vereint. Berlin inspiriert mich: Manche Sachen sind hier furchtbar einfach, günstig und schnell – andere Dinge dagegen total kompliziert, aufwendig und anstrengend. Diese Ambivalenz und Berlin als Playground ist nach wie vor interessant für mich.

Deine neue Ausstellung heißt Jaywalking. Warum hast du diesen Titel gewählt?

FR: Jaywalking ist ein Begriff aus dem amerikanischen Raum: Damit wird das unrechtmäßige Überqueren einer Straße an einer dafür nicht vorgesehenen Stelle bezeichnet. Ich habe das Wort als Aufhänger genutzt – weil es mir gefällt und weil es restriktive, von außen auferlegte Maßnahmen im Allgemeinen gut zusammenfasst. Diese will ich in der Ausstellung anders beleuchten, weil nur die Kunst in diesem Maß die Freiheit dazu bietet, Dinge anders sehen zu dürfen. Eine der Editionen, die Arbeit “Hello Nico”, macht dabei das Gleiche wie Hollywood, wenn es Märchen der Brüder Grimm verfilmt: Szenerien werden verdreht und vieles vom Ursprung geht verloren, sodass am Ende eine globale, kulturelle Vermischung aus Assoziationen und Deutungen entsteht.

 
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Interview: Hanna Komornitzyk
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