Interview mit Fee Kleiß + Axel Eichhorst

Parade of Tender // 27th April – 14th May 2023

 
 

Kennengelernt haben sich Axel Eichhorst und Fee Kleiß über einen gemeinsamen Freund, der ebenfalls Künstler und Kurator ist. Er fand, dass ihre Arbeiten miteinander harmonieren, und schlug ihnen vor, gemeinsam auszustellen. Bei SMAC wird diese Idee nun Wirklichkeit. Welche Parallelen ihre Kunst hat und was ihnen bei der Planung der Ausstellung „Parade of Tender“ wichtig war, erzählen die beiden an einem Vormittag im April in Eichhorsts Atelier. Seit 2018 arbeitet der Maler in Reinickendorf, auf einem alten Fabrikgelände. Während unseres Videocalls fällt die Frühlingssonne durch die Oberlichter und lässt Eichhorsts großformatigeLeinwände noch intensiver strahlen.

 
 
 

SMAC: Habt ihr in der Vorbereitung der Ausstellung gemeinsame Themen entdeckt? Welche Überschneidungen in Eurer künstlerischen Praxis konntet ihr wahrnehmen?

Fee: Farbe ist unser gemeinsames Thema – oder zumindest eines unserer Themen. Je näher wir uns kennengelernt haben, desto mehr Gemeinsamkeiten haben wir auch im Arbeitsprozess entdeckt.

Axel: Künstlerinnen und Künstler merken schnell, ob sie mit derBildsprache des anderen etwas anfangen können. Fees Werke haben mich sofort angesprochen.

Wie hat sich der kollaborative Prozess gestaltet, als ihr das Ausstellungskonzept entworfen habt?

Axel: Wir sind noch mittendrin und selbst gespannt, wie die Schau letztendlich aussehen wird. Bei meinem ersten Atelierbesuch bei Fee sind mir sofort ihre Skulpturen aufgefallen. Der Ausstellungstitel „Parade of Tender“, den wir gewählt haben, spielt mit Gegensätzen: Eine Parade ist eher etwas Steifes, aber „tender“ steht für etwas Zartes. Gleichzeitig steckt in der Parade auch etwas Mäanderndes und da sind wir wieder bei unseren Arbeitsweisen, in denen das Suchende liegt.

 
 

Was fasziniert Euch an der Arbeit des jeweils anderen?

Fee: Für mich ist es Axels Umgang mit Farbe – die Art, wie er damit Gefühle isoliert und in seinen Bildern nahezu objektivierte Formen davon herausarbeitet, fasziniert mich.

Axel: Das Erste, was mich an den Arbeiten von Fee überzeugt hat, war die Eigenständigkeit der Skulpturen. Sie haben eine Wesenhaftigkeit. Ich würde sagen, das liegt an der besonderen Stofflichkeit. Fees Wesen nabeln sich ab.

 
 
 
 

Euch beiden geht es weniger darum, Werke auszudeuten und sie als Erzählungen zu begreifen. Besonders bei Dir, Axel, spielen Gefühle und das Unterbewusste eine besondere Rolle im Prozess. Wie machst Du diese abstrakten, oftmals flüchtigen Qualitäten in der Kunst sichtbar?

Axel: Da muss ich ein bisschen weiter ausholen. Meinen Lebensunterhalt verdiene ich in der Filmbranche und da geht es, wenn ich für Hollywood-Produktionen arbeite, um die überwältigende Erzählästhetik des Films. 2008 habe ich angefangen, erste Zeichenserien und Aquarellskizzen von meinen Gemälden zu entwickeln – bewusst mit der Idee, dass es in dieser Bildwelt keine Erzählung gibt. Die Arbeiten sind für mich stattdessen ein Nachsinnen über den Jetzt-Zustand. Wenn ich aufgewühlt aus einem Treffen komme, dann versuche ich das zu rekonstruieren und frage, was in diesem Moment mit mir passiert. Ich versuche, in das Gefühl hineinzufinden.

 
 

Wie genau hältst Du das Gefühl dann in Bildern fest?

(Axel schlägt sein Skizzenbuch auf und zeigt eine Seite mit Formkompositionen in feinen Bleistiftlinien. Daneben: eine Seite mit einer Farbfindung, die bereits in mattem Rosa und Braun aquarelliert ist.)

Axel: Am Anfang wandert der Bleistift einfach nur über das Papier, dann konkretisiert sich das Gefühl in Formen und während es sich konkretisiert, kommt dann meist schon die Farbe hinzu. Den ganzen Prozess könnte man mit einer Meditation vergleichen. Gerade, wenn man in einer Großstadt wie Berlin vor die Tür geht, ist man ständig mit verschiedenen Gefühlszuständen konfrontiert. Mir geht es mit der Kunst darum, eine Balance in diese Überforderung hineinzubringen und Ankerpunkte zu setzen.

 
 

Fee, wie würdest Du den Entstehungsprozess deiner Werke beschreiben?

Fee: Ich arbeite mit gefundenem Material. Nur ganz wenige Dinge kaufe ich neu. Die Werke entstehen häufig aus Textilien, die ich auf der Straße finde – es sind zum Beispiel alte Kleider, die einfach auf dem Gehsteig liegen. Manchmal weiß ich gar nicht, wieso mich ein bestimmter Stoff interessiert. Ich nehme ihn einfach erstmal mit in mein Studio in Neukölln. Manchmal bringen mir Leute aber auch etwas mit. Das ist ein unkontrollierter Prozess, den ich sehr mag. Diese Stoffe und auch andere Fundstücke ordne ich im Studio neu an, versuche Verbindungen herzustellen und bereite sie auf. Die Form der Werke – das Potenzial –kommt eigentlich immer aus mir. Wie ich die Endprodukte dieser Prozesse dann benennen würde, kann ich nicht genau sagen. Ich benutze manchmal den Begriff Objekt, manchmal das Wort Skulptur. Man sagt ja schlaumeierisch, dass ein Objekt eine Skulptur ist, wenn Material abgetragen wird, während bei einer Plastik etwas aufgebaut wird. Ich glaube, bei mir treffen letztendlich beide Begriffe für die Bezeichnung meiner Werke zu.

 

“Es ist wichtig, dass man weiß, in welchem Zustand man ein Werk schafft.”

 
 
 
 
 
 
 

Wie wichtig ist Dir die emotionale Komponente dabei? Siehst du Gemeinsamkeiten zu Axels Praxis?

Fee: Auf Gefühle reagiere ich in meinem Schaffen nicht direkt, aber es ist wichtig, dass man weiß, in welchem Zustand man ein Werk schafft. Was Axel und mich verbindet, ist, dass wir beide sehr tief hinhören und den Dingen bis auf den Grund nachspüren. Bei mir ist es nicht so, dass ich eine fertige Idee habe, und die umsetze. Das Werk entsteht im Prozess, beeinflusst von der Umgebung. Alles andere würde mich langweilen. Ich arbeite genau wie Axel mit Skizzenbüchern, die ich mit Collagen fülle.

(Fee blättert durch ein Buch, das gefüllt ist mit eingeklebten Ausschnitten aus Reklameheften, aber auch mit Formskizzen aus Kugelschreiber und Farbe. Schon im Klein-und Skizzenformat ist die besondere Mischung aus Materialität und Haptik zuerkennen, die ihre fertigen Werke ausmacht.)

Die Bücher sind eine Ideensammlung. Nicht alles, was ich darin festhalte, setze ich dann auch um. Aber das Skizzieren hilft mir, die Gedanken festzuhalten.

Entstehen die Skizzen in Eurem Alltag oder skizziert ihr ausschließlich im Arbeitskontext, also im Studio?

Fee: Im Bus würde ich mein Skizzenbuch nicht rausholen, aber auf einer längeren Zugfahrt kommt das schon vor. Ich habe die Bücher zu Hause und im Atelier. Eine Zeitlang hatte ich immer ein Skizzenbuch dabei.

Axel: Bei mir entstehen die Skizzen manchmal auch mitten im Alltag. Oft sind es aber nur briefmarkengroße Skizzen, die ich an den Rand von Romanseiten, die ich gerade lese, zeichne. Darunter notiere ich dann manchmal noch das Gefühl, das mich gerade beschäftigt – wie eine Notiz für später. Das Ganze übertrage ich dann in die Skizzenbücher. Das hilft mir auch dabei, zu überprüfen, ob das Thema Gewicht für ein Gemälde hat oder nur ein flüchtiger Eindruck war.

Wie geht der Prozess anschließend weiter: Wie überträgst Du die Skizze auf die Leinwand?

Axel: Die Größe ist bei meinen Leinwänden eigentlich vorgegeben. Angelehnt an meinen Bewegungsradius sind es immer so 1,60 x 2 Meter. Ich hatte immer das Bedürfnis, von dieser konzentrierten kleinen Skizze zu etwas Großem zu kommen. Mir geht es darum, diese Gefühle – auch die auf den ersten Blick kleinen und nebensächlichen – atmen zu lassen. Ich möchte ihnen ein Feld geben, auf dem sie sich ausbreiten können. Die Farben entstehen vor dem inneren Auge schon beim Zeichnen und im zweiten Schritt führe ich sie dann auch aus. Aber es kann auch nochmal große Veränderungen geben.

 
 

Fee, wie überträgst Du die Ideen aus dem Skizzenbuch in Skulpturen?

Fee: Ich glaube, das Buch ist der Motor, der das Schaffen antreibt. Man muss es sich so vorstellen, dass ich am Tag viele Seiten fülle und das meiste davon, dann letztendlich nicht umsetze. Auf die Seiten kommt alles und dann wähle ich aus. Die Arbeit im Skizzenbuch gestaltet sich ein wenig so wie die Arbeit an den Skulpturen selbst. Ich sammle sehr viel Material und setze dann Einzelteile, einzelne Skizzenideen, neu zusammen.

(Axel zeigt in einem von Fees Skizzenbüchern auf eine Zeichnung.)

Axel: Das verrät so viel darüber, wie Fee arbeitet. Das sind zwei völlig unterschiedliche Medien und Strichstärken – einmal Aquarell und einmal Kugelschreiber. Man merkt, dass es ihr um den Dialog zwischen Materialien geht.

Fee: Die Bücher begleiten meinen Arbeitsprozess mehr, als dass ich Ideen daraus genauso umsetze. Das könnte aber ein nächster Schritt sein: die Collagen auf großformatige Leinwände zu übertragen.

Gibt es bestimmte Orte und Straßen in Berlin, an denen Du immer wieder besonderes Material für die Skulpturen findest?

Fee: Ich gehe nie los, um die Stoffe zu suchen. Ich finde sie einfach zufällig, wenn ich die Straßen entlanglaufe. Mein Studio ist voll mit Dingen, so dass ich auch nicht unbedingt losziehen muss, um etwas Neues zu finden. Es ist ein Zufallsprozess.

Wie bearbeitest Du die Stoffe auf dem Weg zur finalen Skulptur?

Fee: Ich verfremde meine Fundstücke, so dass ihre ursprüngliche Funktion am Ende keine Rolle mehr spielt – dazu muss ich sie zunächst zerlegen. Dann füge ich die Teile neu zusammen und arbeite dabei zum Beispiel mit dem Tacker oder experimentiere mit Klebern und Pigmenten. Ich entwickle gerne neue Methoden beim Arbeiten. Manchmal stopfe ich, andere Skulpturen härten aus und sind innen hohl.

Axel: Das finde ich interessant. Fee, Dein Prozess startet, wenn Du ein Ausgangsstück auf der Straße findest. Da sehe ich Parallelen zu meiner Praxis: Wir beide nehmen das, was uns zufällt. Was wir finden und empfinden, beschäftigt uns.

 
 
 

Wie sieht ein Tag in Eurem Atelier aus?

Axel: Ich muss, wenn ich im Atelier ankomme, erst in den Arbeitsprozess hineinkommen. Es kann auch vorkommen, dass ich eine Zeit lang sitze und die Werke ansehe und dann erst entscheide, wie ich technisch vorgehe. Bei meinen großflächigen Bildern müssen die Farben eine Tiefe haben.

Fee: Bei mir besteht die größte Hürde darin, anzufangen. Aber, wenn ich drin bin, dann kann ich oftmals gar nicht kontrollieren, an was ich arbeite – es kommen dann viele Dinge zusammen.

Hört ihr Musik beim Arbeiten?

Fee: Ja, ab und zu. Manchmal mache ich mir auch ein Hörbuch an. Aber manchmal darf es auch ruhig sein.

Axel: Das ist bei mir genauso. Einer der Künstler, mit denen ich das Studio teile, hat seine Vinyl-Schallplatten mitgebracht und wir haben uns durch die Musik der Siebziger gehört. Aber es gibt auch konzentrierte Phasen, wo nichts ablenken darf. Immer dann, wenn es um eine konkrete Funktionsbestimmung geht – um das eine Gefühl im Bild.

 
 
 
 
 

Interview: Laura Storfner
Fotos: Natascha Hamel